Was tut ein Blogger im Outback so ganz ohne Internet? Nun, ich kann nicht für alle sprechen, aber ich saß an meinem Laptop, nachdem alle anderen ins Bett gegangen waren. Denn dann gab es keine Unterhaltungen mehr die ablenkten, auch wenn die unglaublich tollen Leute, die ich treffen durfte riesig dazu beitrugen, dass meine Reise unvergesslich wurde. Es gab nur noch mich, die mit Zirpen durchsetzte Stille und meinen Laptopbildschirm. Der wurde aber bald zum Allgemeingut, denn – hatte ich fast vergessen – Insekten lieben das Licht. Im Outback gibt es keins. Da ist es pechschwarz.
Noch nie zuvor hatte ich so viele Sterne gesehen. Und noch nie zuvor so viele undefinierbare Insekten auf einmal. Als sich dann riesige Kreaturen mit Pinzettenbeinchen auf der Tastatur bequem machten, musste ich klein beigeben und Feierabend einlegen. Doch im Outback ging die Party erst los. Angelockt von Essensduft und der Neugier herauszufinden, wo die Lichtquelle herkam, hatte eine Gruppe Wallabies ihre Kreise um unser Camp immer enger gezogen. Ich konnte ihre Augen im Dickicht aufblitzen sehen, als ich ganz unsicher meinen Lichtstreif der Taschenlampe um mich warf.
Kennst du noch die Ninja-Katze von Youtube? Genauso ein Erlebnis hatte ich. Leuchtete ich nach links, war das rechte Augenpaar das nächste Mal etwas näher und leuchtete ich dieses an, so schlich sich ein anderes Wallaby dichter. Es war gruselig. Und so nahm ich meine zwei Beine und den Laptop in die Hände und rannte was das Zeug hielt in Richtung meines Zeltes. Darauf hatte sich inzwischen eine Ameisenstraße gebildet und ich versuchte diese nicht zu stören, als ich vorsichtig den Reißverschluss öffnete. Denn Ameisen in Australien beißen gerne und sind sehr hartnäckig. Und Wallabies können boxen. Nichts davon war gerade einladend. Jedenfalls waren die kleinen Biester mir sehr dankbar, dass ich sie zu meiner mit Ameisen dekorierten Bleibe geführt hatte, denn sie machten es sich während der Nacht an der neuen Futterstelle geräuschvoll bequem.
Am Morgen war ich wie gerädert, aber keiner hatte etwas mitbekommen. Wallabies waren doch ganz liebe Kreaturen. Von wegen! Mir zeigten sie ihr diabolisches Gesicht. Ich erinnere mich noch gut an mein Swagerlebnis entlang des Stuart Highways. Ein Swag ist ein australischer Outdoor-Schlafsack, mit dem man direkt auf dem Boden schlafen kann – ob in einer Hütte oder direkt in der Wildnis. Er hat Taschen, eine Regenkapuze, ist aus reißfestem Stoff und enthält eine Minimatratze. Aufgerollt nimmt er nicht mehr Platz weg als ein Rucksack.
Swags sind super! Auch wenn man sich daran gewöhnen muss. Denn bevor man sein „Bett“ im Outback ausrollen kann, muss eine geeignete Schlafstelle gefunden werden. Weg von Büschen oder Steinen, denn die könnten giftige Schlagen verbergen. Weg von Bäumen, damit man nicht von Zweigen erschlagen wird. Ab von der noch warmen Feuerstelle, denn das zieht die Tiere an. Und weg von Stein und Gehölz, denn das ist einfach unbequem.
Ich hatte meine Schlafstelle perfekt hergerichtet. Es gab keinen einzigen Stein noch Ast. Doch als ich dem Ruf des Sandmannes nicht mehr widerstehen konnte, war mein Swag nicht mehr da. Stattdessen lagen dort Menschen. Mein Swag hing in einem Grasbüschel in zwei Metern Entfernung. Und meine Taschenlampe wollte bald den Geist aufgeben. Um nicht durch lautes Grummeln die Unschuldigen aufzuwecken, stapfte ich zum Toilettenhäuschen. Doch ich wurde verfolgt. Hinter mir raschelte es und die Schritte wurden immer lauter. Jedoch waren es nicht meine eigenen. Geblendet vom Licht des Häuschens, vermachte ich erst einmal nichts.
Aber da war jemand und er starrte mich aus der Dunkelheit an. Ich war wie gebannt. Sollte ich mich rutschiger Seife und Toilettenpapier bewaffnen? Und dann zeigte sich mein Kontrahent. Es war ein Wallabyweibchen mit ihren zwei Sprösslingen (das dritte wartete bereits im Uterus darauf, dass es in den Beutel klettern konnte). Wie in einem Spaghettiwestern funkte der Blickaustausch hin und her. Keiner regte sich. Doch dann wagte Frau Wallaby den ersten Zug. In Zeitlupe streckte sie ihre Samtpfoten auf den Boden und zog sich langsam vorwärts, dabei immer ihre Augen provozierend auf mich gerichtet.
Es war wie in einem Gruselfilm. Sie kam dichter und dichter und ich tat das einzig Vernünftige. Ich versteckte mich im Klo. Dort hatten auch schon allerlei Geckos, riesige geflügelte Schnaken und Ameisenkolonien Zuflucht gefunden. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und rannte so schnell es ging zurück zu meinem Swag, das ich mit einem beherzten Ruck befreite und auf einer kahlen Stelle ausbreitete.
Unter mir Äste und Steine, neben mir Büsche. Zu sagen, dass ich schlecht geschlafen hätte, wäre eine grobe Untertreibung. Es war miserabel. Da half auch nicht der nasse Kuss den mir Frau Wallaby am Morgen mit ihrer Schnauze auf die Wange drückte. Ich sah nur ein riesiges Auge neben mir und schreckte hoch. Wallabies können echt schnell sein, wenn sie wollen. Und wieder hatte niemand den Wallabyüberfall mitbekommen. Ich solle doch bitte leiser panisch sein.
Das war ein Auszug aus meinem Buch voller schräger Begegnungen während meiner acht-monatigen Reise durch Australien und Neuseeland. Von Schnorchelepisoden mit riesigen Fischen zu beinahe tödlichen Outbackbesuchen war alles mögliche dabei. Die Reiselektüre findest du inzwischen auf Amazon.
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